(De-)Zentralisierung im Automotive Retail

Die (De-)Zentralisierung der Märkte ist seit jeher ein wichtiges Thema in Politik und Wirtschaft. In den letzten Jahren haben wir bei unseren Kunden unterschiedliche Ansätze in beide Richtungen festgestellt.

 

Das interessiert uns: Warum ist dies der Fall? Warum gibt es unterschiedliche Ansätze in der Automobilindustrie? Was bedeutet das für die Händler? Und wie gehen die neuen Wettbewerber im Markt vor? Lesen Sie mehr dazu in unserem aktuellen impulse. Wir freuen uns auf Ihr Feedback.

 

Erfordern die sich ändernden Marktanforderungen in Bezug auf das Online-Geschäft in der Automobilindustrie eine Zentralisierung der Hersteller?

 

„Wie viel Macht sollte ich den Märkten unserer Hersteller geben und welche Prozesse sollten zentral von der Zentrale aus gesteuert werden?“ – eine Frage, die sich viele Vorstandsmitglieder in unserer Branche stellen.

 

Um sich den in diesem Impuls aufgeworfenen Fragen zu nähern, wollen wir den Aspekt aus verfahrenssystematischer, finanzieller und rechtlicher Sicht untersuchen.

 

Wenn es um Prozesse und Systeme geht, fallen einem schnell die klassischen Argumente aus der Betriebswirtschaftslehre ein: Je mehr Prozesse und Systeme zentral bereitgestellt und gesteuert werden, desto mehr Synergien können zwischen den Märkten herausgearbeitet oder Entscheidungsprozesse viel schneller vorangetrieben werden. Auf der anderen Seite können die individuellen Bedürfnisse des Marktes nicht ausreichend berücksichtigt werden, da die Zuständigkeiten nicht dort angesiedelt sind, wo die Herausforderungen entstehen.

 

Betrachtet man das Thema aus finanzieller Sicht, so wird deutlich, dass dezentrale Ansätze es ermöglichen, den Erfolg in den Märkten der Hersteller zu lokalisieren und damit für mehr Transparenz über die Leistung einzelner Geschäftsbereiche zu sorgen. Dies erhöht die Identifikation mit der Aufgabe und die Motivation der Beteiligten. Auf der anderen Seite besteht das Problem der Verrechnungspreise innerhalb eines Unternehmens, was auf der Makroebene zu Effizienzverlusten führt.

 

Aus rechtlicher Sicht birgt insbesondere die Dezentralisierung in der internationalen Automobilindustrie die Gefahr, mit unterschiedlichen Rechtsauslegungen konfrontiert zu werden. Darüber hinaus stellen die unterschiedlichen Rechtsformen der Unternehmen eine zusätzliche Herausforderung dar. Leider haben auch zentral aufgestellte Automobilhersteller mit Schwierigkeiten in rechtlicher Hinsicht zu kämpfen, etwa wenn es um die Nutzungsrechte von Systemen für die einzelnen Märkte oder um die Frage des Datenschutzes geht.

 

So viel zur Theorie – aber was bedeutet das konkret? Wer unsere Impulse regelmäßig liest, weiß, dass die aus unserer Sicht wichtigste Entwicklung in der Branche der Trend zum Online-Geschäft ist – vor allem beim Verkauf, aber auch beim Aftersales. Viele Hersteller setzen darauf, dass ihre Fahrzeuge in Zukunft verstärkt über das Internet und nicht mehr ausschließlich über den Handel verkauft werden. Folgt man dieser Annahme, so lassen sich einige Schlussfolgerungen für diese Analyse ziehen:

 

Bei den Prozessen und Systemen mag es nachvollziehbar sein, dass unterschiedliche Märkte beispielsweise unterschiedliche Vertriebsarbeitsplätze und unterschiedliche Händlerverwaltungssysteme nutzen – also dezentrale Ansätze verfolgt werden. Wenn aber das Online-Geschäft in den nächsten Jahren zunehmen wird, ist es aus unserer Sicht ratsam, Prozesse und Systeme nicht mehr lokal zu entwickeln, sondern zentral bereitzustellen und lokal anzupassen. Hier kann man auch auf Erfahrungen aus anderen Branchen zurückgreifen: Jedes Reisebüro braucht verständlicherweise seine eigene Software, um Reisen zu verkaufen – aber wenn die Lufthansa über ihre Homepage Flüge verkauft, geschieht dies weltweit über ein standardisiertes System.

 

Aus finanzieller Sicht ist im traditionellen Privatkundengeschäft eine gewisse Marktautonomie sinnvoll, da z.B. das Controlling für viele Aktivitäten im Zusammenhang mit der Abrechnung von Prämien und Boni zuständig ist. Im Agenturgeschäft ist dieses Konstrukt unseres Erachtens stark vereinfacht. Die Modelle werden zu bestimmten Preisen angeboten, wobei der Verhandlungsspielraum für den Kunden und damit auch für den Markt selbst deutlich geringer ist. Dieser Trend bestätigt sich, wenn man relativ junge Wettbewerber wie Tesla oder Aiways betrachtet: Hier werden bereits recht starre Preismodelle eingesetzt, so dass sich nach unserer Expertenmeinung zentralisierte Ansätze durchsetzen werden.

 

Die oben angeführten Argumente zur rechtlichen Perspektive ändern sich durch das Agenturgeschäft nur geringfügig, so dass sich daraus keine wesentlichen Auswirkungen für diese Analyse ergeben. Im ersten Schritt verlagert sich das Geschäft nur von den geographischen Regionen eines Marktes auf den Markt selbst, was zunächst keine rechtlichen Änderungen mit sich bringt.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aktuelle Entwicklung des Geschäfts hin zum Online-Vertrieb und weg vom Einzelhandelsgeschäft die Hersteller durchaus vor neue strukturelle Herausforderungen stellt. Zumindest ist es fraglich, ob sich der Aufwand für dezentrale Vertriebsorganisationen in Zukunft noch lohnt. Neue Wettbewerber setzen bereits auf einen zentralen Ansatz und es bleibt abzuwarten, ob die „klassische“ Automobilwelt nachziehen wird.

Tobias Bald

Partner

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